Neue Brille und unzufrieden? Was bei der Brillenanpassung schief gehen kann
Unterschiede zwischen der Testsituation beim Optiker und der Tragesituation im Alltag können dafür verantwortlich sein, dass du mit deinen neuen Brillengläsern weniger gut siehst als erwartet. Lass den Sitz und Zentrierung überprüfen!
Du hast eine ganze Weile beim Optiker gesessen, mit immer neuen Testlinsen auf die Testtafel geschaut, konzentriert die kleinen Verbesserungen und Verschlechterungen der Sehschärfe gemeldet und für jedes Auge die optimale Sehstärke gefunden. Du hast dir wahrscheinlich auch eine nagelneue Brillenfassung ausgesucht. Der Optiker hat sie mit den passenden Einstärkengläsern versehen.
Jetzt ist die neue Brille fertig – und du bist gar nicht zufrieden. Du siehst beim Blick geradeaus nicht wirklich scharf. Du siehst beim Blick zur Seite, nach oben und/oder unten unscharf. Du bemerkst Verzerrungen oder schräge Linien, wo gerade Linien sein sollten. Der Fußboden ist schief. Wo könnte der Fehler liegen?
Die richtige Sehstärke ist nicht alles
Zunächst einmal: nicht nur Gleitsichtgläser, sondern auch Einstärkengläser haben bestimmte unvermeidliche Abbildungsfehler in den Randbereichen, die gerade für Erst-Brillenträger gewöhnungsbedürftig sein können.
Wenn die Fehler deiner Brille aber sehr störend sind – oder wenn sie gar im zentralen Gesichtsfeld auftreten – kann das durchaus an vermeidbaren Versäumnissen liegen. Sofern die Gläser die korrekte Sehstärke haben, können gravierende Unterschiede zwischen Test- und Tragesituation schuld sein. Test- und Tragesituation unterscheiden sich nämlich bei fast allen Kunden mehr oder weniger stark darin, wie exakt die Brillengläser vor den Augen sitzen. Und das berücksichtigen die allermeisten Optiker beim Anpassen von Brillengläsern nicht – noch dazu, wenn es nur einfache Einstärkengläser sind…
Test- und individuelle Tragesituation
Hier die Testsituation:
Die Messbrille sitzt in einem Standard-Abstand von 13 bis 14 Millimetern vor den Augen
Die Messbrille ist gerade wie ein Brett
Der Optiker wird sie dir so aufsetzen, dass sie nicht vorgeneigt sitzt
Dann wird er/sie die beiden runden Linsenhalter so verschieben, dass deine Pupillen beim Blick geradeaus auf die Sehtafel genau mittig durch die Testlinsen schauen – dabei kann er auf einer Skala die beidseitige Pupillendistanz ablesen
Du hältst deinen Kopf vermutlich sehr gerade und schaust starr geradeaus.
Und hier die Tragesituation:
Der Abstand deiner Brillengläser vom Auge wird durch den Sitz deiner Fassung bestimmt – er kann durchaus auch kleiner als 12 oder größer als 15 Millimeter sein.
Die meisten Brillen passen sich dem Gesicht mit einer leichten Wölbung an – das heißt, die beiden Brillengläser stehen nicht “auf Linie”, sondern “schauen” ein bisschen nach links bzw. rechts.
Viele Menschen tragen ihre Brille etwas vorgeneigt.
Ob der Punkt, durch den du beim normalen Tragen deiner Brille meist blickst, auch wo die optische Mitte des Brillenglases ist, steht und fällt mit der korrekten Zentrierung
Beim normalen Tragen deiner Brille hältst du deinen Kopf typischerweise vielleicht eher etwas erhoben oder etwas gesenkt.
Möglicherweise sitzt deine Brille sogar ein bisschen schief im Gesicht.
Die richtige Zentrierung
Warum könnten diese Unterschiede zwischen Test- und Tragesituation ein Problem darstellen? Zur Brillenanpassung gehört nicht nur das Finden der richtigen Sehstärke, sondern auch die korrekte Zentrierung der Brillengläser. Wenn der runde Glasrohling beschliffen wird, damit er in den Brillenglasrahmen hineinpasst, darf das nicht irgendwie geschehen. Sondern zentriert. Das bedeutet, die optische Mitte des Brillenglases – also der “höchste” Punkt des Glasrohlings bei einer Pluswölbung bzw. der “niedrigste” Punkt bei einer Minuswölbung – steckt genau dort im Brillenglas, wo Sie beim entspannten Blick geradeaus hindurchschauen. Und das muss nicht unbedingt die Mitte des Brillenglases sein!
Warum das so wichtig ist? Nur in ihrer optischen Mitte hat eine einfache sphärische Linse keinerlei Abbildungsfehler. Zum Rand hin bewirken sphärische Aberration, Astigmatismus schiefer Bündel und wie die Abbildungsfehler sphärischer Linsen alle heißen, dass das Bild etwas weniger scharf und zunehmend auch verzerrt wird. Und natürlich sollte dein Brillenglas die beste Sehqualität genau an der Stelle liefern, die du am häufigsten nutzt.
Die individuellen Trageparameter
Die meisten in der zweiten Liste beschriebenen individuellen Trageparameter – Hornhautscheitelabstand (1), Fassungsscheibenwinkel (2), Vorneigung (3) und Pupillendistanz (4) sowie die natürliche Kopfhaltung des Brillenträgers (5) – sind für eine korrekte Zentrierung wichtig. Alle beeinflussen die Abbildungsqualität eines Brillenglases. Sie müssten daher – theoretisch! – bei einer Brillenanpassung berücksichtigt werden.
Die meisten dieser Parameter kann dein Optiker nur in der Tragesituation messen, also wenn du deine Brillenfassung auf hast – noch ohne Brillengläser. Ist die Brille fertig, sollte er/sie außerdem einen Blick darauf werfen, wie genau die Fassung im Gesicht sitzt (6) und an Bügeln und Nasenpads Anpassungen vornehmen, um “Windschiefe” und Rutschtendenzen zu korrigieren.
Zu viel Aufwand?
Bei der Anpassung einer Einstärkenbrille wird kaum je so ein Aufwand getrieben. Und die Wahrheit ist, dass gerade bei Dioptrienwerten im Bereich von +-1 bis +-3 selbst ohne jede Vermessung der Trageparameter normalerweise eine Brille angefertigt werden kann, mit der der Kunde sehr gut zurechtkommt … oder sich zumindest nicht beklagt. Wenn es aber Schwierigkeiten gibt, liegt der Fehler mit einiger Wahrscheinlichkeit an einer nicht berücksichtigten Differenz von Test- und Tragesituation der Brillengläser.
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